Am 7. Februar 1870 gründeten sechs Schifferbrüder den Nautischen Verein. Die Vereinigung von Menschen, die etwas von Schifffahrt verstehen, versteht sich als Ratgeber für Politik und Verwaltung.

1902 musste der Nautische Verein Lübeck eine Schlappe hinnehmen. Die Ruderkommandos sollten „Rechts“ und „Links“ sollten durch die seemännischen Begriffe „Steuerbord“ und „Backbord“ ersetzt werden. Der Verein bestand auf den alten Kommandos. Doch 1904 trat die kaiserliche Verordnung in Kraft, die die noch heute geltenden Kommandos „Steuerbord“ und „Backbord“ festlegte. An diese Geschichte erinnert Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) in seinem Grußwort zum 150-jährigen Jubiläum des Nautischen Vereins Lübeck.

In jüngster Zeit war der Verein erfolgreicher

In jüngster Zeit war der Verein erfolgreicher. Jahrelang betätigten sich die Vereinsmitglieder – Kapitäne, Logistiker, Spediteure, Nautiker, Reeder und Juristen – als Lobbyist für den Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals. 2016 wurde der 838 Millionen Euro teure Ausbau der Wasserstraße in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans aufgenommen. Damit ist der Ausbau noch nicht Realität, aber es ist ein Schritt vorwärts.

Wieder und wieder stritt der Verein für eine Verbreiterung der Traveenge am Eingang von Travemünde. Die wird zwar nicht ausgebaggert, aber die Pläne des Waterfront-Investors, auf die Kohlenhofspitze ein Hotel zu setzen, sind vom Tisch. Das Hotel hätte einer Verbreiterung für Jahrzehnte im Weg gestanden. Kapitän Jürgen Schlichting: „Die Option, dass irgendwann erweitert wird, bleibt bestehen.“

368 Mitglieder zählt der Verein

Schließlich forderte der Nautische Verein die Einsetzung eines Hafenbeirats. Der arbeitet seit einigen Monaten. Gespannt erwartet Vorsitzender Schlichting, wie der Hafenentwicklungsplan 2030 aussehen wird – und was die Politiker daraus machen.

Als Impuls- und Ratgeber schätzen Land und Stadt den Verein mit 368 Mitgliedern. Gegründet wurde der Verein am 7. Februar 1870 – von sechs Mitgliedern der Schiffergesellschaft. Mit der Einführung der Gewerbefreiheit 1866 wurde die gesamte berufsständische Organisation in Deutschland umgekrempelt. Ende 1870 zählte der neugegründete Nautische Verein 121.

Erinnerung an Flotten und Werften in Lübeck

Die 150-jährige Geschichte des Vereins wurde von einem mehrköpfigen Redaktionsteam detailliert aufgearbeitet und zu einer Chronik zusammengefasst. Diese Chronik spiegelt die Entwicklung des Lübecker Hafens wider, lässt eine Zeit lebendig werden, als es in der Hafenstadt noch Schiffsflotten und Werften gab. Die Autoren haben auch versucht, die Jahre unter der Naziherrschaft zu rekonstruieren. Trotz intensiver Recherche habe es dafür kaum Quellen gegeben. Immerhin: Zum 70. Stiftungsfest 1940 zitieren die Autoren aus einem Protokoll, dass es ein schlichtes Fisch-Labskaus-Essen gegeben habe, Sieg Heil gerufen und das Horst-Wessel-Lied gesungen wurde.

Immer wieder geht es auch um Internes. 1995 legte der damalige Vorsitzende Johannes Jarchau sein Amt nieder, weil er seine Frau als Mitglied aufgenommen hatte. Das hatte es bis dahin nicht gegeben und führte „zu einer erheblichen Unruhe in der Mitgliedschaft.“ Seitdem sei das durchaus möglich, schreiben die Autoren, und mit Diplom-Verwaltungswirtin Susanne Kasimir wurde 2015 erstmals eine Frau in den Vorstand gewählt.

Hilfe für die Opfer des Tsunamis

2005 startet der Nautische Verein eine große Hilfsaktion für die Opfer des verheerenden Tsunamis in Südostasien. Der Verein übernahm die Organisation der „Fischerhilfe Kathaluwa“. Mit den Spendengeldern der Lübeckerinnen und Lübecker werden den Fischern schließlich 21 Seeboote und zehn Flussfischerboote übergeben. In der Heimat engagierte sich der Verein schon lange als Wohltäter – wenn auch für die eigenen Mitglieder. 1950 startet die Soziale Wohlfahrtseinrichtung den Bau von Wohnungen. 41 entstehen in St. Jürgen, die Mieten orientieren sich am Lübecker Mietenspiegel.

Der Strukturwandel der Hafenstadt Lübeck mit Werftensterben hinterlässt auch beim Nautischen Verein Spuren. Die Zahl der Mitglieder – 1988 waren es über 500 – ist gesunken. Nur 35 Prozent sind noch Nautiker, Seeleute oder Schiffsingenieure, der größere Teil entstammt der maritimen Wirtschaft. Der Verein macht sich Gedanken, wie neue Mitglieder gewonnen werden können.

Verein fasst auch brisante Themen an

Als Ratgeber für Politik und Verwaltung wird der Nautische Verein auch zukünftig gebraucht. Die Ehrenamtler drängen die Stadt, sich beim Bund für eine Aufwertung der Trave zur Bundeswasserstraße der Kategorie A einzusetzen. Sie fordern die Einführung der Lotsenpflicht für große Schiffe in der Kadetrinne und spezielle Verkehrsregeln im Fehmarnbelt, wenn der Tunnel dort gebaut wird.

Und der Verein scheut auch heiße Eisen nicht. Vorsitzender Schlichting: „Eine Erweiterung des Skandinavienkais in Richtung Dummersdorfer Ufer würde der Schifffahrt am meisten dienen.“

 

So wird gefeiert

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Die Jubiläumsfeieram 7. Februar startet mit einem Empfang im Audienzsaal des Rathauses. Von dort geht es in die Schiffergesellschaft. Kapitän Wolfgang Pistol als „Speaker“ läutet die Feier ein, danach spricht der Vorsitzende Jürgen Schlichting. Gastbeiträge halten Bürgermeister Jan Lindenau, Vize-Admiral Andreas Krause und der frühere Ministerpräsident Björn Engholm. Zwischendurch wird gesungen, gegessen und gespendet. Die traditionelle Tellersammlung geht an die Ostseestation in Travemünde.

 

Quelle: Text Kai Dordowsky/LN

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