Chef der Lübecker Hafen-Gesellschaft spricht Klartext

Prof. Sebastian Jürgens, Chef der Lübecker Hafen-Gesellschaft, hat bei einem Treffen mit Wirtschaftsvertretern kein Blatt vor den Mund genommen, Sanktionen und Fehmarnbeltquerung (FBQ) kritisiert.

LHG Chef Sebastian Jürgens

80 Mal in der Woche legen Fähren vom Skandinavienkai ab, fahren nach Schweden, Finnland, ins Baltikum und nach Russland. 44 Abfahrten gehen nach Schweden, 24 nach Finnland und zehn ins Baltikum und nach Russland. Seit 2015 unterhält die LHG ein eigenes Büro in St. Petersburg. „Das bringt uns viel Reputation“, erzählt LHG-Chef Prof. Sebastian Jürgens, aber die Geschäfte seien ausbaufähig. „Ich hatte 2015 die Vorstellung, dass die Russland-Sanktionen irgendwann einmal enden.“

„Da haben wir uns ins Knie geschossen“

Da hat sich der 56-jährige Jurist, der die LHG seit 2014 leitet, gründlich geirrt. Aus seiner Sicht müssten die Sanktionen dringend aufgehoben werden. „Ich bin regelmäßig in Russland“, sagte Jürgens bei einer Veranstaltung des Wirtschaftsrates der CDU, „die Russen lachen sich kaputt über unsere Sanktionen.“ Viele Produkte, die auf dem Index stehen, würden die Russen jetzt selbst herstellen: „Da haben wir uns ins Knie geschossen“, wurde Jürgens vor den Wirtschaftsvertretern deutlich. Mit seiner Forderung nach einemEnde der Sanktionen stehe er nicht mehr allein. Jürgens: „Vielleicht findet die Forderung ja mal Gehör.“

Kritisch sieht der LHG-Chef auch den geplanten Tunnel durch den Fehmarnbelt. „Für Diskussionsveranstaltungen werde ich immer als Dauernörgler gebucht“, scherzte der Geschäftsführer vor den Wirtschaftsvertretern, „denn für den Lübecker Hafen ist die feste Querung kein Gewinnerthema.“ Der Schwedenverkehr der LHG werde dadurch nicht weiter wachsen und es sei unklar, „wie viel Umschlag wir vom Dänemark-Verkehr abgreifen können“.

LHG gegen feste Fehmarnbeltquerung

Der Bau des Tunnels kann sich aus Jürgens Sicht ruhig verzögern: „Wenn das ein paar Jahre länger dauert, werden wir keine Träne vergießen.“ Die Verlagerung von Verkehren vom Hafen zum Tunnel werde Auswirkungen auf die LHG-Arbeitsplätze haben. Jürgens: „Das werden wir den Menschen eines Tages erklären müssen.“

Genauso deutlich spricht sich der Hafen-Chef für den Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals aus. Zwei bis drei Millionen Tonnen Ladung könnten über die 62 Kilometer lange Wasserstraße verschifft werden, zitiert Jürgens ein Gutachten der Industrie- und Handelskammer (IHK). Der über 800 Millionen Euro teure Ausbau ist umstritten. Das derzeitige Ladungsaufkommen ist gering. Der LHG-Chef: „Das liegt daran, dass die Infrastruktur einfach schlecht ist.“ Der LHG-Chef kann sich vorstellen, Container, Fahrzeuge und Massengüter über einen ausgebauten Kanal zu transportieren.
Die wirtschaftliche Lage des eigenen Unternehmens sah Jürgens bei dem Gespräch mit dem Wirtschaftsrat ausgesprochen optimistisch: „Wir gewinnen erkennbar neue Marktanteile.“ Gleich im ersten Jahr derSanierung habe die LHG über 100 neue Mitarbeiter zum Teil über Radiospots angeworben. „Wir stellen diese Beschäftigten zu veränderten Tarifen ein, sie müssen Gabelstapler und Tugmaster fahren und an allen vier Terminals arbeiten“, sagte Jürgens, „und trotzdem finden wir diese Menschen.“

LHG plant substanziellen Umbau des Unternehmens

Dank der fünf Jahre laufenden Tarifabschlüsse mit der Gewerkschaft sei Ruhe eingekehrt. „Unsere Kunden schätzen das“, sagte der LHG-Chef und kündigte einen „substanziellen Umbau des Unternehmens“ an. Damit ist vor allem die Verlagerung von Umschlag vom Nordlandkai hin zum Skandinavienkai gemeint – aber auch der weitere Ausbau des Bahnverkehrs.

70 Mal in der Woche fahren Züge vom Skandinavienkai

80 Mal in der Woche verlassen Fähren den Skandinavienkai, aber auch 70 Züge in der Woche. In Jürgens Amtszeit wuchs die Zahl der Transporteinheiten, die vom Schiff auf die Bahn und umgekehrt gehen, von 65 000 auf 104 000 (2018). Im ersten Halbjahr 2019 stieg der sogenannte Intermodalverkehr um weitere 18 Prozent. Die Kapazität des Baltic Rail Gates – zwei wuchtige Kräne wickeln die Einheiten ab – schätzt Jürgens auf 140 000 Einheiten.

Die LHG hat eine eigene Spedition, einen Rangierdienst und eine Werkstatt für die Züge. Mit dem Umladen und der Zusammenstellung der Ladung verdiene die LHG mehr Geld „als mit Lastwagen, die einfach nur durchfahren“, sagte der Geschäftsführer.

Quelle: LN/ Kai Dordowsky