Für rund 200 Millionen Euro entsteht derzeit ein neues leistungsfähigeres Mehrzweckschiff, das im Havariefall in der Ostsee anrückt. Schiffsbetreiber ist das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Lübeck.
(Die 1974 in Dienst gestellte „Scharhörn“, betrieben vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA) Lübeck, ist in die Jahre gekommen.)
Die „Scharhörn“ ist eines jener Alleskönner-Schiffe, die bei Havarien und Notfällen in der Ostsee dringend gebraucht werden. Sie tun aber auch bei Routinearbeiten, etwa der Unterhaltung von Schifffahrtszeichen, zuverlässig Dienst. Mit fünf Löschkanonen können zum Beispiel Brände auf Havaristen gelöscht werden. Das Spezialschiff kann Schadstoffe wie Öl aufnehmen. Es gibt eine Notarztausrüstung an Bord. Und mit den beiden Dieselmotoren mit einer Leistung von zusammen rund 3500 PS sind Notschleppungen möglich. Das Einsatzgebiet des Schiffes in der westlichen Ostsee reicht weit von Flensburg bis zum Leuchtfeuer Buk in der Mecklenburger Bucht.
Betreiber ist das WSA Lübeck
Allerdings ist das 1974 in Dienst gestellte Wasserfahrzeug, betrieben vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA) Lübeck, etwas in die Jahre gekommen. In der Werft Abekin & Rasmussen im niedersächsischen Lemwerder entsteht derzeit das Nachfolgeschiff der „Scharhörn“, benannt nach der gleichnamigen Insel in der Helgoländer Bucht. Und das neue Schiff soll einiges besser und mehr können als das derzeitige Mehrzweckschiff, verspricht Holger Rahlf, Leiter des Hamburger Standorts der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW), im Gespräch mit den LN.
(Bildquelle: Zeichnung Abeking & Rasmussen)
Der Name des Schiffs stehe noch nicht fest, aber über die technische Ausstattung kann Rahlf viel erzählen: So erhalte das neue Schiff große Chemikalientanks, einen explosionsgeschützten Sicherheits- und Containerladeraum sowie Ölaufnahmegeräte und Ölsammeltanks sowie einen Separationsraum, in dem Öl und Wasser getrennt werden können. Zudem soll es über eine Notschleppeinrichtung verfügen, die mehr als drei Mal so leistungsfähig ist. Auch einen Hubschrauberlandeplatz bekommt das Schiff.
Maritimer Alleskönner
Solche maritimen Alleskönner seien alles andere als Serienanfertigungen. Jedes einzelne sei ein Prototyp, erklärt Rahlf. Eine der technischen Herausforderungen dabei sei, dass das neue Schiff ausschließlich mit Flüssigerdgas (LNG) angetrieben werden soll. Herkömmliche Dieselmotoren, die zwar zumeist zuverlässig arbeiteten, jedoch auch viele Emissionen verursachten, gibt es im neuen Hightech-Schiff nicht. Dabei wird zugleich technisches Neuland betreten. Bei der Brandbekämpfung auf See wird laut Rahlfs die Außenhaut des Spezialschiffes extrem aufgeheizt. Der Beanspruchung in einer explosionsgefährdeten Umgebung müssten die neuen LNG-Motoren standhalten. Weltweit einzigartig sei dabei die Kombination eines Erdgasantriebes mit Luftfiltern. Insgesamt rund 200 Millionen Euro soll das neue Spezialschiff kosten. Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat bereits grünes Licht für diese Investition gegeben.
Die BAW ist dabei sozusagen Architekt sowie Kontrolleur des Schiffsneubaus. Die Bundesanstalt gibt der Werft die Leistungsparameter für das Schiff vor. Mitarbeiter überprüfen zugleich die jeweiligen Baufortschritte auf der Werft bis hin zur Abnahme des Mehrzweckschiffes. „Wenn erst mal ein Schott zugeschweißt ist, kann man nicht mehr dahinter schauen, ob etwa Kabel ordnungsgemäß verlegt wurden“, erklärt Rahlf.
Sicherheit auf höchstem Niveau
Mit der erfahrenen Werft in Lemwerder gebe es allerdings eine enge, vertrauensvolle Zusammenarbeit, betont er. Nach jetzigem Zeitplan soll das neue Spezialschiff im Jahr 2023 in Dienst gestellt werden. Der Präsident der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt, Hans-Heinrich Witte, ist zuversichtlich: „Das neue Schiff erhält eine Spezialausstattung, mit der im Falle von Havarien Einsätze deutlich verbessert werden. Hochqualifiziertes Personal und eine hochwertige technische Ausstattung – das bedeutet Sicherheit auf höchstem Niveau.“ In den folgenden Jahren werden nach und nach auch die anderen drei Mehrzweckschiffe in Nord- und Ostsee durch neue Hightech-Fahrzeuge ersetzt. Die Lübecker „Scharhörn“ macht den Anfang.
Quelle:LN/Reinhard Zweigler