Im Corona-Jahr schreibt die Lübecker Hafen-Gesellschaft (LHG) einen Millionen-Verlust. Die Lösung: Ein Teil des Hafens zieht um.

Die Corona-Krise hat den Hafen hart erwischt. Der Umschlag ist eingebrochen, der Verlust beträgt Millionen – das ist die Bilanz des Corona-Jahres der Lübecker Hafen-Gesellschaft (LHG). Besonders bitter: Das mehrheitlich städtische Unternehmen steckt mitten in der Sanierung. „Die Jahresprognose fällt negativ aus“, sagt LHG-Chef Sebastian Jürgens. Immerhin: Die Stadt muss kein extra Geld zuschießen. Jürgens: „Das Ergebnis ist besser als Mitte des Jahres angenommen.“ Damals ging man im schlimmsten Fall von einem Minus elf Millionen Euro aus. Jürgens: „Wir kommen gut durch dieses und nächstes Jahr.“

Lübecker Hafen: Millionen im Minus

Genaue Zahlen für 2020 nennt Jürgens nicht. Nach LN-Informationen rechnet die LHG mit einem Verlust von zwei bis drei Millionen Euro. Real liegt das Minus allerdings bei neun Millionen Euro – denn in der Sanierung verzichtet die Stadt auf Pachtzahlungen der LHG, die Hafenarbeiter auf Lohn. Der Umschlag für 2020 beträgt geschätzt 19 bis 21 Millionen Tonnen. 2019 und 2018 waren es je 22,3 Millionen Tonnen pro Jahr. Durch die Corona-Krise drohte Kurzarbeit im Hafen. Dazu kam es nicht. Allerdings hat die LHG weniger Leiharbeiter beschäftigt. Die Zahl der Mitarbeiter ist gleich geblieben: knapp 800 im LHG-Konzern, davon 600 direkt bei der LHG und 200 bei Tochterunternehmen.

Steuert den Lübecker Hafen durch schwierige Zeiten: Sebastian Jürgens (57), Chef der Lübecker Hafen-Gesellschaft (LHG).

 

 

Keine Corona-Hilfen vom Land

Keine Corona-Hilfen für den Hafen gibt es aus Kiel. Denn das Land ist nicht an den Häfen beteiligt, anders als die anderen norddeutschen Länder. „Aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit wird die Landesregierung daher sicherlich ein besonderes Augenmerk darauf richten, die Häfen zu unterstützen“, sagt Jürgens. „Unsere Tür für Fördermaßnahmen steht auf jeden Fall sperrangelweit offen.“

Hafen-Umzug wird größer

Die Konsequenz aus dem Minus-Ergebnis: Der Hafen zieht um – dabei wird der Umzug größer als geplant. Grob gesagt: Der Nordlandkai vor der Altstadt zieht an den Skandinavienkai in Travemünde. Im Detail heißt das: Das Papier- und Kartonage-Geschäft des Nordlandkais wird verlagert an den Skandinavienkai und nach Schlutup. Knapp die Hälfte des Geschäfts vom Nordlandkai ist bereits umgezogen.

Massengüter: Nordlandkai mit neuem Umschlag

Der Nordlandkai hat dadurch Platz. Diese Flächen und Hallen hat die LHG vermietet. Dort wird Massengut umgeschlagen – insgesamt 200 000 Tonnen. Zum großen Teil neue Güter und neue Kunden. „Das gab es alles vorher nicht“, sagt Jürgens. Und: „Trotz Corona sind uns Neuaufträge gelungen.“ Das Modell: Die Hallen sind vermietet. Die Schiffe bringen die Massengüter. Entladen werden die Schiffe von Mitarbeitern der Mieter, manchmal auch von Hafenarbeitern der LHG. In den Lagerhallen arbeiten dann nur die Mitarbeiter der Kunden. Dieses Modell hat bei den Hafenarbeitern für viel Unmut gesorgt. Aber Jürgens sagt: „Wir machen da im Wesentlichen Hafenumschlag.“

Vom Nordlandkai zum Skandinavienkai

Das Ziel: Bis Ende 2021 soll der komplette Nordlandkai umgezogen sein zu den anderen Terminals. Der Nachteil des Nordlandkais: Er liegt nahe der Altstadt. Um dort anzukommen, müssen Schiffe anderthalb Stunden von der Ostsee die Trave hinauffahren. Das lohnt sich häufig nicht für das schnelle RoRo-Geschäft (roll on, roll off) mit Trailern. Bei Massengütern ist das anders. Beispielsweise dauert das Entladung eines Stahlschiffes ein bis zwei Wochen. Da fällt die lange Fahrt nicht so sehr ins Gewicht.

Weiterer Ausbau am Skandinavienkai

Zugleich wird der Skandinavienkai weiter ausgebaut, um Platz für das Papier-Geschäft vom Nordlandkai zu haben. Aktuell ist eine zweite Lagerhalle geplant mit 10 000 Quadratmetern. Baustart ist im April. Die Fläche ist bereits plan gemacht – sechs Hektar. Die erste Lagerhalle im XXL-Format mit 25 000 Quadratmetern steht schon. Beide Hallen gehören zum großen Ausbau des Skandinavienkais. Der wächst von 66,9 Hektar auf 82,9 Hektar. Baustart war im Mai 2018, 2021 soll alles fertig sein.

Neues Papier-Gate

Hinzu kommt ein weiterer Ausbau am Skandinavienkai. Derzeit errichtet die LHG ein Papier-Gate. Das ist eine Fläche zwischen Hafenhaus und dem aufgeschütteten Wall dahinter. Auf 10 000 Quadratmetern entsteht ein Parkplatz für Lastwagen – eine sogenannte Vorstau-Fläche. Die Fahrer warten dort, um dann zur neuen Lagerhalle zu fahren und die Papier-Rollen aufzuladen. Bislang warten sie auf Flächen nahe der Kaikante. Aber der Platz ist zu wertvoll und soll für Hafenumschlag genutzt werden. Schon fertig ist eine weitere Wiese, die zu einem Parkplatz umgebaut worden ist – 25 000 Quadratmeter. Dieses Areal liegt direkt neben dem Hafenhaus. Die LHG vermietet es an die Speditionsfirmen, deren Lastwagenfahrer auf Schiffe warten. Das Prinzip ist dasselbe wie beim Papier-Gate: Früher standen die Laster näher an den Kaikanten. Auf dieser 37 000 Quadratmeter großen Fläche werden nun Autos umgeschlagen, die verschifft werden.

Skandinavienkai: Längere Gleise am Hafen

Ausbauen will Jürgens auch das Baltic Rail Gate. Dabei geht um den Transport von Schiff auf Schiene – der sogenannten Intermodal-Verkehr. Dieses Geschäft boomt seit Jahren. Die Gleise sollen um 100 Meter verlängert werden, damit längere Züge von dort starten können. Dabei geht es um Zuglängen bis zu 740 Metern. Werden die Gleise länger, fällt das Rangieren weg. Dadurch können mehr Trailer und Container verladen werden – von derzeit 120 000 bis 140 000 pro Jahr, werden es dann 160 000 bis 180 000. Das ist aber kein Projekt für 2021, sondern wird noch dauern.

Was passiert nach der Sanierung?

Allerdings: Langfristig muss der Hafen sich etwas überlegen. Denn durch die Pandemie wird die Zahl der Auto-Exporte schrumpfen. Außerdem schließen in Skandinavien Forstprodukt-Firmen. Das sind die beiden Hauptgüter auf der Ostsee. Und vor allem: 2022 endet die Sanierung der LHG. Dann muss das Unternehmen ein Plus einfahren – denn dann fallen der Pachtverzicht der Stadt sowie der Lohnverzicht der Arbeiter weg.

Zu einer weiteren Idee will Jürgens sich nicht äußern: Dem Vernehmen nach wird darüber debattiert, wie die Stadt der LHG finanziell unter die Arme greifen kann. Dabei geht es vor allem um die riesigen Hafenflächen, die die Stadt an die LHG verpachtet.

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Zahlen des ersten Halbjahres

Die Zahlen des ersten Halbjahres für die Lübecker Hafen-Gesellschaft (LHG): Bis Ende Juni betrug der Umschlag 10,6 Millionen Tonnen. Der Vergleich: 2019 waren es 11,6 Millionen Tonnen. Der Blick auf Lastwagen und Trailer: 348 000 für 2020, 385 000 für 2019.

Bei dem Umschlag von Autos liegen die Zahlen fast gleichauf. Das liegt daran, dass ursprünglich 60 000 Wagen über den Skandinavienkai verschifft werden sollten. Das sind weniger geworden – und der erhoffte Zuwachs in dem Segment ist ausgeblieben. Die Zahlen: 34 200 Autos im Jahr 2020, 35 600 Autos im Jahr 2019.

Die Passagierzahlen brachen komplett ein wegen der Corona-Pandemie. Zunächst machten Länder ihre Grenzen dicht. Dann mussten Reisende in Quarantäne, wenn sie in Schweden waren. Die Zahlen: 80 000 Passagiere im ersten Halbjahr 2020 gegenüber 166 000 im ersten Halbjahr 2019.

Die Massengüter

Am Nordlandkai sind 200 000 Tonnen Massengüter umgeschlagen worden. Das sind im Detail: 100 000 Tonnen Schotter und 50 000 Tonnen Stahl als größte Positionen. Hinzu kommen 30 000 Tonnen Dünger und Erntegut wie Gerste, Weizen oder Raps, 10 00 Tonnen Holzpaletten und 10 000 Tonnen Salz.

Gutes Ergebnis: Transport vom Schiff auf die Schiene

Die Baltic Rail Gate liefert 2020 ein gutes Ergebnis: Sie ist für den Transport vom Schiff auf die Schiene zuständig und eine gemeinsame Tochter der Lübecker Hafen-Gesellschaft (LHG) und der Frankfurter Kombiverkehr. In 2020 hat sie 111 000 Trailer und Container verladen. Der Vergleich 2019: Da waren es 113 000. Ursprünglich hatte die LHG für 2020 ein neues Rekord-Ergebnis von 123 000 Trailern und Containern prognostiziert. Aber die Corona-Pandemie hat einen Strich durch diese Rechnung gemacht.

Beim Transport von Schiff auf Schiene hat die LHG die Nase vorn im Ostseeraum. Vom Terminal am Skandinavienkai gehen 45 Verbindungen pro Woche in sechs verschiedene Städte – ins Ruhrgebiet, nach Ludwigsburg und nach Norditalien.

Quelle: LN /  Josephine von Zastrow

Fotos: LHG


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