Statement des Nautischen Vereins Lübeck zur Situation des Elbe-Lübeck-Kanals im Oktober 2024
von Wolfgang Pistol, Nautischer Verein Lübeck
Die Sperrung der Donnerschleuse im Elbe-Lübeck-Kanal (ELK) – und damit der durchgehenden Schifffahrt zwischen Lübeck und Lauenburg – seit Ende Oktober 2024 bis voraussichtlich Frühjahr 2025, macht einmal mehr deutlich, dass eine permanente, rechtzeitige, konsequente Unterhalts- und Instandsetzungsarbeit am Kanal erforderlich ist, um die durchgehende Befahrbarkeit dieser einzigen Schifffahrtsverbindung aus der südwestlichen Ostsee in das deutsche und europäische Binnenwasserstraßennetz sicherzustellen und in Lübeck die einzigartige Verbindung der Verkehrsträger Straße, Schiene, Binnenwasserstraße und Seewasserstraße zu erhalten und auszubauen!
(Die wegen baulicher Mängel gesperrte Donnerschleuse legt für längere Zeit die Schifffahrt auf dem ELK lahm. Foto: WSV.)
Der im Bundesverkehrswegeplan 2030 vorgesehene Vollausbau des ELK und damit die Ertüchtigung des Kanals für die Befahrbarkeit durch Binnenschiffe der heutigen und künftigen Generation, der durch das Bundesverkehrsministerium derzeit gestoppt ist, muss neben der Bestandspflege des Kanals weiterhin Ziel für die Zukunft des ELK bleiben!
Die immer wieder erörterte Frage, ob das derzeitige Ladungsaufkommen einen Ausbau des ELK rechtfertigt, gleicht der Frage nach dem Henne-Ei-Prinzip: Muss genügend Ladung auf dem Kanal transportiert werden, um den Vollausbau zu realisieren oder muss der Kanal den erforderlichen und künftigen Anforderungen genügen, um entsprechende Warenströme anzuziehen?
Alle Erkenntnisse der Transportlogistik besagen, dass die Warenströme einer entsprechen Infrastruktur folgen. Ist die Infrastruktur nicht vorhanden, kommt auch keine Ladung dazu, ist sie vorhanden nehmen Warenströme diesen Weg.
Ein gutes Beispiel ist die jetzt verfügte Sperrung des durchgehenden Verkehrs für die Binnenschifffahrt für mehrere Monate, die natürlich zu einer weiteren Reduzierung der auf dem Kanal beförderten Ladung führen wird. Das bedeutet aber nicht, dass keine Ladung vorhanden ist, sondern die Infrastruktur die Ladungsbeförderung mit Binnenschiffen nicht ermöglicht und sich die Warenströme daher andere Wege suchen.
Eckpunkte für den Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals aus Sicht des Nautischen Vereins Lübeck
Grundsätze:
1. Der Elbe-Lübeck-Kanal ist im Bereich der südwestlichen Ostsee der einzige direkte Verbindungsweg von Seewasserstraßen in das Netz der deutschen und europäischen Binnenwasserstraßen.
2. Der Elbe-Lübeck-Kanal entspricht derzeit hinsichtlich der Brückendurchfahrtshöhen, der Schleusenlängen, der zulässigen Tauchtiefe und der Kurvenradien nicht den Erfordernissen für das Großgütermotorschiff (Länge: 110 m, Breite 11,40 m, Tiefgang 2,80 m). Lediglich die Schleuse Lauenburg, die im Jahre 2006 neu gebaut wurde, hat eine nutzbare Länge von 115 m und eine nutzbare Breite von 12 m. Die anderen sechs Schleusen des Kanals können lediglich von Schiffen mit einer Länge von 80 m und einer Breite von 9,50 m passiert werden. der Kanal kann derzeit nur von Schiffen mit einem maximalen Tiefgang von 2,10 m passiert werden.
3. Insoweit ist ein Vollausbau des ELK geboten, um einen wirtschaftlicheren Transport von Gütern auf dem ELK zu gewährleisten. Zu diesem Zweck müssen die Schleusen auf eine Länge von 115 m, die Wassertiefe des ELK auf eine mögliche Tauchtiefe von 2,80 m und die Brückendurchfahrtshöhen auf mindestens 5,25 m gebracht werden. Zudem müssen ggf. Kurvenradien angepasst werden.
4. Bereits weit über 100 Unternehmen haben in einem „Letter of Intent“ bei der IHK Lübeck ihre Absicht bekundet, bei einem Vollausbau des ELK diesen für Gütertransporte nutzen zu wollen.
6. Aus allem ergibt sich, dass ein Vollausbau des ELK aus ökonomischen und ökologischen Gründen sinnvoll und geboten ist.
Schritte zur Umsetzung eines Vollausbaues des ELK:
• Im Jahre 2016 hat die Bundesregierung einen vordringlichen Vollausbau des ELK mit einem Volumen von 838 Mio. € in den Bundesverkehrswegeplan 2030 aufgenommen.
• Im Jahre 2019 hat der Bund der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung 15 neue Stellen für die Planungsarbeiten zum Ausbau des ELK zur Verfügung gestellt. Inzwischen arbeiten rund 20 Planungskräfte an diesem Projekt.
• Im Jahre 2022 hat das Bundesverkehrsministerium die Planungen für den Vollausbau des ELK gestoppt!
Zusätzliche Argumente für den Ausbau des ELK aus Sicht des NVL:
• 10 Binnenschiffe der Kategorie „Großgütermotorschiff“ ersetzen die Transportkapazität von 500 LKW auf der Straße. Dies bedeutet eine Entlastung der Straßen, eine Reduzierung der Luftverschmutzung und eine Reduzierung der Lärmimmission.
• Ein Transport von Gütern mit Binnenschiffen führt zu einer Reduzierung von Frachtkosten gegenüber dem Straßentransport.
• Ein Vollausbau würde die Nutzung des ELK für Flusskreuzfahrtschiffe mit den Destinationen des Raumes Lübeck/Ratzeburg/Mölln deutlich verbessert ermöglichen.
• Die EU unterstützt einen Vollausbau des ELK. Der EU-Beauftragte Pat Cox, ehemaliger Präsident des EU-Parlamentes und Koordinator der Europäischen Union für die Trasse Skandinavien – Mittelmeer innerhalb der Transeuropäischen Netze (TEN), sprach sich bei dem Besuch der IHK Lübeck im November 2019 dafür aus. Cox sieht, nach einem Bericht der Lübecker Nachrichten, „den Lübecker Hafen in einer sehr guten Position, vor allem In Hinblick auf die Anbindung an die Binnenwasserstraßen!“
• Der „Masterplan Binnenschifffahrt“ des Bundesverkehrsministeriums beschreibt Binnenschiffe gemäß der Studie „Externe Kosten des Verkehrs in Deutschland – Straßen-, Schienen- und Binnenschiffverkehr 2017“ als umweltfreundliche Transportmittel. Demnach trägt der Güterverkehr per Binnenschiff lediglich mit 0,8 % – und damit so wenig wie kein anderer Verkehrsträger – zu den jährlichen externen Gesamtkosten des Verkehrs in Deutschland bei. Externe Gesamtkosten sind jene Kosten, die durch die Mobilitätsteilnehmer verursacht, aber nicht von ihnen getragen werden, z.B. Klimabelastung, Luftverschmutzung, Unfälle und Lärm. Negativer „Spitzenreiter“ ist hierbei der Straßengüterverkehr mit 94,5 %. Danach folgt mit 3,8 % der schienen- und mit 0,9 % der inländische Flugverkehr.
• Ein wichtiger Aspekt im Hinblick auf das Zukunftsprojekt Vollausbau des ELK ist auch die zukünftige Entwicklung von Schiffsantrieben für Binnenschiffe. Die Schiffe der Zukunft sollen emissionsfrei fahren. In einer Reihe von Projekten befassen sich verschiedene Firmen mit der Entwicklung von Alternativen zum Gasöl oder Diesel! Zu erwähnen sind hier. Elektrische Antriebsenergie, hybrid/elektrische Antriebsenergie, LNG u.a. Innovative Beispiele im Bereich der Planung zukünftiger Binnenschiffe zeigen eine intensive Entwicklung, die in nächster Zeit die Binnenschifffahrt prägen dürfte. Weitergehende umfangreiche Planungsvorhaben ergeben sich im Detail aus dem Masterplan Binnenschifffahrt der Bundesregierung.
• Im Hinblick auf eine zukünftige Entwicklung der Gütermengen auf dem ELK ist festzustellen, dass nach allen Erkenntnissen der Logistikbranche die Güterströme einer vorhandenen Infrastruktur folgen.
Aus den vorstehend genannten Gründen hält der Nautische Verein Lübeck eine Umsetzung des geplante Vollausbaues des Elbe-Lübeck-Kanals als Endziel für geboten!
Quelle: Wolfgang Pistol, Nautischer Verein Lübeck