Initiative des Nautischen Vereins Lübeck (NVL)
Auf den normal informierten Bürger in der Hansestadt kommt eine ständig wachsende Bedrohung zu: die Verkehrswende, die es in sich hat. Neuestes Beispiel: die plötzliche Sperrung der Donnerschleuse im Elbe-Lübeck-Kanal (ELK).
Die Unterbrechung der durchgehenden Schifffahrt zwischen Lübeck und Lauenburg mindestens bis zum Frühjahr 2025 war fast absehbar, weil alle historischen Schleusen des Kanals der nachhaltigen Unterhaltungs- und Instandsetzungsarbeit bedürfen. Da diese offensichtlich nicht rechtzeitig und konsequent ausgeführt wurden, ist jetzt die durchgehende Befahrbarkeit dieser
einzigartigen Schifffahrtsverbindung aus der südwestlichen Ostsee in das deutsche wie europäische Binnenwasserstraßennetz durch den Zusammenbruch der Schleusenanlage auf längere Zeit vorbei. Experten wie Kapitän Wolfgang Pistol vom NVL, der sich als Leiter einer vereinsinternen Arbeitsgruppe seit Jahren immer wieder für den Vollausbau des ELK als
Wasserstraße für größere Binnenschiffe, Großgütermotorschiffe von 110 m Länge, 11,40 m Breite und einem Tiefgang von 2,80 m, als „umweltfreundliche Transportmittel“ eingesetzt hat, hält den eingetretenen Schaden durch die Sperrung für folgenschwer. Denn nachdem das Bundesverkehrsministerium 2022 die Planungen für einen Vollausbau des ELK gestoppt hatte, für den 2016 mit Vordringlichkeit 838 Mio. Euro in den Bundesverkehrswegeplan 2030
aufgenommen waren, scheint auch die Bestandspflege wenig Effizienz zu besitzen. Um einen wirtschaftlichen Transport von Massengütern auf dem ELK zu garantieren, müssten, wie einmal vorgesehen, die Schleusen auf eine Länge von 115 m, die Wassertiefe auf eine mögliche Tauchtiefe von 2,80 m und die Brückendurchfahrtshöhen auf mindestens 5,25 m gebracht werden. Ob diese Option jemals, z. B. im Bundesverkehrswegeplan 2040, noch Chancen hat, steht in den Sternen. Auch ein veränderter Schiffsbau, z. B. von autonom fahrenden
Transportmitteln, eröffnet zukünftig neue Möglichkeiten, weil die Ökologie weniger beeinträchtigt werden müsste.

Die Begründung für den Stopp des Vollausbaus ist auf jeden Fall fadenscheinig: Nicht das seit Jahren zurückgehende und jetzt gestoppte Ladungsaufkommen
ist dafür verantwortlich, sondern die unzureichende Infrastruktur des ELK. Denn nach allen Erkenntnissen der Logistikbranche folgen die Warenströme der jeweils vorhandenen Infrastruktur. Wenn der Wasserweg nicht die benötigten Voraussetzungen bietet, suchen sich die vorhandenen Gütermengen andere Wege, vor allem die Straße.

Mit einem ausführlichen „Statement des Nautischen Vereins Lübeck“ hat sich Kapitän Pistol an die Öffentlichkeit und dabei vor allem an die IHK Lübeck mit dem Vorschlag gewandt, dass deren „Arbeitsgruppe ELK“ zeitnah zur eingetretenen Situation für Wirtschaft und Binnenschifffahrt Stellung bezieht.

2027: Lange Unterbrechung der Bahnverbindung Lübeck-Hamburg

im Rahmen der Sanierung ihrer Infrastruktur hat die Deutschen Bahn (DB) bereits angekündigt, dass 2027 die Gleisanbindung zwischen Lübeck und Hamburg monate(?)lang unterbrochen wird. Die vorgesehenen Umleitungen über Bad Kleinen und Schwerin oder Ratzeburg – Zarentin – Lauenburg sind für die meisten Nutzer, insbesondere für Schwerlasttransporte, nicht geeignet. Zu befürchten ist, dass die Verkehre auf die Straße verlagert werden.

Zukünftige Erreichbarkeit der Hansestadt?

Wie sich Lübeck auf diese näherkommende Gefahr des Abgetrenntseins vorbereitet, ist öffentlich nicht bekannt. In der Bürgerschaft wird dieses Thema, wenn überhaupt, eher zurückhaltend behandelt, einen Tagesordnungspunkt gab es dazu bisher noch nicht. Im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung müsste nach heutigem Verständnis die die Allgemeinheit betreffenden Entwicklungen zentral diskutiert und so nach zukunftsgemäßen Lösungen gesucht werden. In Lübeck geschieht das immer wieder nicht. Die Lübecker Bevölkerung ist zu oft nicht im Bilde. Wirtschaftliche Auswirkungen des im Bau befindlichen Belttunnels oder aber der Streckenverlauf der sog. Hinterlandanbindung für diesen Tunnel sind
für die Lübecker Kommunalpolitik seit Jahren kein Thema. Aber: Haben sich die Bürgerschaftsabgeordneten nicht dazu verpflichtet, Schaden von ihren Bürgern abzuwenden? Wie steht es um diese Verantwortung in der politischen Praxis? Bei der innerstädtischen Erreichbarkeit sind Lübecks Einwohner seit Jahren nervenaufreibenden Belastungen unterworfen, weil Brücken gesperrt bzw. im Umbau sind, Straßen saniert, teilweise oder komplett gesperrt sind und durchwurzelte, löchrige Radwege unpassierbar sind. Radfahrer müssen auf die Autostraße ausweichen, eine Verkehrswende in die 50er Jahre. Die Geduld der
meisten Hanseaten ist noch bewundernswert. Doch jetzt gewinnt Lübecks Erreichbarkeit durch die vollzogene Sperrung des ELK, die angekündigte Sperrung der Bahnstrecke für Lübeck als Oberzentrum in der Metropolregion Hamburg und durch die überlastete A1, jahrelange Baustellen und zusätzliche Verkehre, eine neue Bedrohungsdimension. Was nicht auf dem Wasserweg und der Bahnstrecke transportiert werden kann, staut sich auf der A1 oder den Landstraßen. Oder geht Lübeck für entscheidende Bereiche sogar einer folgenschweren Isolierung entgegen? Die Auswirkungen auf gestörte trimodale Verkehre (Straße, Bahn und Wasserweg) sind schnell spürbar in allen relevanten gesellschaftlichen Bereichen wie
Wirtschaft, Beschäftigung, Tourismus, Kultur, Bildung etc. Quo vadis, Lübeck?