Die neue Hybridfähre „Welt ahoi!“, die längst zwischen Travemünde und dem Priwall pendeln sollte, ist nach wie vor nicht einsatzbereit. Grund ist unter anderem ein Fehler im Steuerungssystem. Es gibt aber auch andere Probleme.

 

Mehr als vier Monate ist es her: Am 14. Mai wurde in Travemünde die neue Hybridfähre der Stadtwerke Lübeck Mobil während einer feierlichen Zeremonie auf den Namen „Welt ahoi!“ getauft. Für die 70 geladenen Gäste gab es Häppchen und Sekt. Soulsängerin Nathalie Dorra sorgte bei einer kurzen Rundfahrt auf der Trave für die musikalische Unterhaltung. Ein paar Wochen später sollte die „Welt ahoi!“ ihren Regelbetrieb aufnehmen, so war der Plan.

(v.l.: Jan Lindenau(BM), Bernhard Simon(AR-Vorsitzender), Nathalie Dorra(Taufpatin), Andreas Ortz(GF Stadtverkehr) und Daniel Müller, Leiter der Abteilung Fähren)

 

Doch daraus wurde nichts – und wird vermutlich auch demnächst nichts. Seit ihrer Ankunft in Travemünde am 27. November 2023 liegt die „Welt ahoi!“ meist fest vertäut, zwischendurch immer mal wieder auf Testfahrt in der Pötenitzer Wiek oder auf der Trave unterwegs, an einem Anleger des Kohlenhofs auf dem Priwall. Längst zum Ärger von Spaziergängern und auch Gästen eines Restaurants direkt am Fähranleger, denn die Fähre versperrt dort die Sicht auf die Trave, die vorbeifahrenden Schiffe und auf das maritime Ambiente überhaupt – das bei Touristen beliebte Panorama.

Von Anfang an gab es Probleme. Zuerst wurde festgestellt, dass die Ladeklappen der Fähre nicht zu den Anlegern passten. Sie wurden von der Werft umgebaut. Später wurde bemängelt, dass Fußgänger und Radfahrer nur eine Seite nutzen können. Bei den beiden älteren Fähren „Travemünde“ und „Pötenitz“ ist für sie Platz auf beiden Seiten vorgesehen. Bei Probefahrten soll sich ein komplexes Fehlerbild bei der Steuerung gezeigt haben. Zudem sollen die Batterie-Packs defekt sein. Alles Ursachen dafür, dass die „Welt ahoi“ bisher nicht wirklich in Betrieb gehen konnte.

Die Übergabe und Abnahme jedoch sind erfolgt, die fünf Millionen Euro von der Stadt sind geflossen. Jetzt sollen sich Stadtverkehr und Werft streiten, wer wofür verantwortlich ist. Demnächst soll ein Treffen von Beteiligten und Verantwortlichen stattfinden. Zu den Vermutungen, die Fähre werde überhaupt nicht mehr in Betrieb genommen, Steuerzahlergeld sei für ein eigentlich nicht notwendiges Prestigeobjekt ausgegeben worden und das Ganze würde zu einem Millionengrab, äußern sich die Stadtwerke Mobil nicht.

Vielfältige technische Probleme an der Fähre

„Wir bedauern sehr, dass die Welt ahoi! als Aushängeschild eines modernen, emissionsarmen Fährverkehrs aktuell nicht in Betrieb gehen kann. Alle Beteiligten sind sich aber darüber einig, dass es zielführender ist, bis auf Weiteres auf jegliche Fahrten zu verzichten, um jetzt von Grund auf die Behebung aller Fehler anzugehen“, sagt Stadtwerke-Sprecher Lars Hertrampf. Es werde mit Hochdruck mit Vertretern der Werft sowie mit Experten der jeweiligen Systemlieferanten an der Analyse und einer komponentenübergreifenden Lösungsstrategie gearbeitet.

Hierzu werde es in naher Zukunft ein Spitzengespräch mit den genannten Vertretern geben. Hertrampf: „Erst im Anschluss können wir eine Einschätzung der Dauer und des Ablaufs der Reparaturarbeiten geben.“ Losgelöst von der Verfügbarkeit der „Welt ahoi!“ werde der Fährverkehr wie gewohnt über die bestehenden Autofähren gewährleistet.

Im Zuge der Inbetriebnahme, Schulungs- und Testfahrten seien in den vergangenen Wochen immer wieder Fehler in unterschiedlichen Systemkomponenten der Fähre aufgetreten, sagt der Stadtverkehr-Sprecher. Diese beträfen sowohl das Batterie-Pack als auch die Steuerungssoftware sowie unterschiedliche Hardware-Komponenten. Das Fehlerbild sei entsprechend komplex und erschwere die Isolierung der jeweiligen Fehlfunktionen. Was die Ladeklappen angehe, seien diese nachgebessert worden und funktionierten seitdem ohne weitere Auffälligkeiten.

Für die neue Zugangsmöglichkeit für Fußgänger und Radfahrer werde es Hinweisschilder an den Anlegern geben, um auf den richtigen Weg zum Betreten der Fähre hinzuweisen. Hertrampf: „Aufgrund von Vorgaben zur Barriere-Freiheit mussten aus Platzgründen Anpassungen erfolgen. Wir erreichen jetzt einseitig eine Breite von 1,30 Meter bis 1,45 Meter gegenüber maximal einem Meter auf den anderen Fähren.“

Zur Historie: Am 11. Juni 2020 beschloss der Aufsichtsrat der Stadtwerke die Anschaffung einer dritten Autofähre mit Hybridantrieb, also mit diesel-elektrischem Antrieb. Vorausgegangen waren gutachterliche Prüfungen, bei denen vor allem die Antriebstechnologie im Mittelpunkt stand. Eine Projektgruppe mit Fachleuten des Stadtverkehrs, einem Ingenieurbüro und externen Beratern, wurde tätig. Es folgte eine europaweite Ausschreibung, den Zuschlag erhielt die Stralsunder Werft Ostseestaal, die bereits über Erfahrungen im Bau von Elektroschiffen verfügte. Geschätzte Investitionskosten waren damals 4,2 Millionen Euro, später wurde laut Stadtwerke ein Festpreis von fünf Millionen Euro vereinbart.

Gerüchten, der Aufsichtsrat habe sich gegen die Empfehlung von Fachleuten ausgesprochen, wieder ein ausschließlich dieselbetriebenes Schiff anzuschaffen, tritt der damalige Vorsitzende des Gremiuns, Ulrich Pluschkell (SPD), entgegen. Anfangs habe ein Gutachter den Bau einer Fähre aus Glasfaser vorgeschlagen, das habe der Aufsichtsrat aber nicht gewollt. Pluschkell: „Eine robuste, aber umweltfreundliche Fähre sollte her.“ Auf keinen Fall sollte es eine reine Dieselfähre sein. Bei den nun auftretenden Problemen müsse bedacht werden, dass ein Schiff dieser Art und für diesen Zweck kein Produkt „von der Stange“ sei, sondern fast immer eine Einzelanfertigung und somit ein Prototyp.

Probleme mit Elektrofähre auch in Missunde

Mit den Problemen ihrer neuen Fähre stehen die Stadtwerke nicht alleine da. Mit Elektrofähren haben auch andere Unternehmen Probleme. Anstelle der alten Dieselfähre „Missunde 2″ sollte ein neues, elektrisch betriebenes Schiff, die Passage auf der Schlei im Kreis Rendsburg-Eckernförde zwischen Missunde und Brodersby fahren. Das Land Schleswig-Holstein hatte die Fähre „Missunde 3″ für mehr als drei Millionen Euro bauen lassen. Nach der Taufe stellte sich heraus, dass sie aufgrund ihrer Konstruktion bei starkem Wind gar nicht auf die andere Flussseite kommt. Das Land kaufte die alte Fähre für mehr als 100.000 Euro zurück, die sie drei Monate zuvor für rund 21.000 Euro veräußert hatte. Ergebnis: Die „Missunde 3″ muss aufwendig umgebaut werden. Nach Angaben der Wochenzeitung „Die Zeit“ prüft das Land, ob es rechtliche Ansprüche gegen den Konstrukteur der Fähre geltend machen kann. Die „Missunde 2″ pendelt jedenfalls nach wie vor zwischen Missunde und Brodersby.

 

Textquelle: LN online/Thomas Krohn