Wenn 2029 Autos und Züge durch den Fehmarnbelttunnel rollen, werden nach Einschätzung der Experten die Warenströme auf der Nord-Süd-Achse deutlich zunehmen. Nur: Vor Hamburg dürfte die Bahnanbindung schnell an ihre Grenzen kommen. Dort gibt es einen Engpass. Helfen könnten da nur Schiffe. „Die Binnenschifffahrt ist vor diesem Hintergrund unverzichtbar“, sagte Dr. Thomas Rössler, Berater der Hanseatic Transport Consultancy (HTC), jetzt beim Thementag „Binnenschifffahrt: Transport mit Zukunft“ der Industrie- und Handelskammer (IHK) Lübeck in Lauenburg. An der südlichsten Stadt Schleswig-Holsteins treffen der Elbe-Seitenkanal und der Elbe-Lübeck-Kanal mit der Elbe zusammen.

(Bei Lauenburg zweigt der Elbe-Lübeck-Kanal von der Elbe ab. Experten erwarten ein Wachstum der Schifffahrt auf der 1900 eingeweihten Wasserstraße, die von der Ostsee das deutsche Kanalnetz erschließt, Foto: Timo Jann)

 

„Wir haben bei der Bahn ein substanzielles Netzproblem. Es wäre daher ein großer Fehler, so zu tun, als wäre das Binnenschiff nicht mehr wichtig“, mahnte Rössler. Man dürfe sich dabei auch nicht von rückläufigen Gütertransporten auf dem Elbe-Lübeck-Kanal täuschen lassen. Binnenschiffe würden auch wegen künftiger CO2-Bepreisungen und ökologischen Fußabdrücken im Zuge der Nachweise der Logistikkette von den Versendern ganz sicher stärker nachgefragt werden, so Rössler. „Wir stehen da vor einer Zeitenwende“, ist er überzeugt. „Das spielt alles in die Karten der Binnenschiffer“, erklärte Rössler.

(Thomas Rössler, HTC: Warenströme aus China werden sich verändern, Foto: Timo Jann)

 

Nach den Warenströmen der Zukunft gefragt, hatte Rössler auch ein spezielles Thema parat: In Tschechien würde das Thema 3D-Druck bereits massiv funktionieren, da erwarte er künftig als Ladung Granulat und Pulver für die Maschinen. „Wenn Schule macht, was da gedruckt werden kann, dürften sich die Warenströme aus China drastisch ändern“, so Rössler. Die Dinge, die man heute importieren würde, kämen dann aus dem Drucker, so seine Prognose.

Stefan Kunze von der Elbe Allianz blickte bis 2040 voraus. „Ich bin extremst optimistisch, dass das Gesamtkonzept Elbe umgesetzt wird.“ Auch der Elbe-Seitenkanal sei dann mit dem Neubau des Hebewerks bei Lüneburg wieder voll funktionsfähig, so seine Einschätzung. „Der Elbe-Lübeck-Kanal erschließt dann von der Ostsee her das gesamte Hinterland“, meinte Kunze. Deshalb dürfe man nicht lockerlassen, den Ausbau des 123 Jahre alten Elbe-Lübeck-Kanals zu fordern. Das Projekt wurde zwar 2016 in den Bundesverkehrswegeplan 2030 aufgenommen und mit fast einer Milliarde Euro ausgestattet, doch 2020 wurde diese Vision bereits wieder gestoppt.

„Wenn die Verkehrswende gelingen soll, dann muss eine Verlagerung von der Straße passieren, und die macht vor allem auf das Binnenschiff Sinn“, berichtete Felix Klingbiel von der Lübecker Hafen-Gesellschaft (LHG). Er geht davon aus, dass moderne Binnenschiffe für den Elbe-Lübeck-Kanal entwickelt werden, um die Transporte effizient abzuwickeln. Klingbiel: „Die LHG glaubt an den Elbe-Lübeck-Kanal und die Ausbaupläne müssen weiterverfolgt werden.“ Auf eine moderne Infrastruktur setzt auch Stefan Breitenbach vom Hafen Hamburg Marketing. „Seit Jahren sind zu wenig Mittel in die Wasserstraßen geflossen, das fällt uns jetzt vor die Füße“, so seine Warnung.

(2022 wurden nur 878 Binnenschiffe im Elbe-Lübeck-Kanal bei Lauenburg gezählt, Foto: Timo Jann)

 

Prof. Dr. Uwe Meinsberg, Geschäftsführer der Titus Research GmbH, geht davon aus, dass künftig verstärkt künstliche Intelligenz (KI) in der Schifffahrt zum Einsatz kommen wird. Seit Unternehmen befasst sich mit Transporten der Zukunft bereits seit 2018. „KI wird helfen, die Umgebung der Schiffe zu erkennen und daraus nötige Ableitungen zu treffen“, sagte er. Daran glaubt auch Lars Holger Engelhardt, der an autonomen Schiffskonzepten arbeitet. Zwölf Jahre lang entwickelt er für VW und Audi, vor einiger Zeit wechselte er in den maritimen Bereich und gründete die Unleash Future Boats GmbH. Auf dem IHK-Treffen präsentierte er die Vision eines Pontons, der Container autonom und emissionsfrei transportiert. „Auch bei Autos musste es erst Vertrauensbildung in die Technologie moderner Assistenzsysteme geben“, sieht er Vorbehalte gelassen. Auf der Schlei gebe es bereits ein Testfeld für die Entwicklungen seines Unternehmens.

„Wir dürfen die Schifffahrt nicht vergessen“, betonte Rüdiger Schacht, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Lübeck. Was gebraucht würde, seien Perspektiven für die Branche. Das unterstrich Kai Klimenko, Geschäftsführer der Lauenburger Hitzler Werft, mit Daten. „Die Binnenschiffe werden immer älter, ihr Durchschnittsalter liegt bei 41,1 Jahren. Und würde man noch die Tanker rausrechnen, von denen ja nur noch relativ junge Doppelhüllenmodelle fahren, wären es sogar 65,1 Jahre“, so Klimenko. Da würde deutlicher Investitionsbedarf bestehen. „Schiffe der Zukunft könnten wir heute problemlos bauen. Es bedarf aber nicht nur der Technik an Bord, sondern auch landseitig. Wo tankt man denn Wasserstoff oder wo füllt man die Akkus“, erklärte Marek Klimenko, Seniorchef der Hitzler Werft, die direkt an Elbe und Elbe-Lübeck-Kanal sitzt.

Die Ladungsmenge an Bord der den Elbe-Lübeck-Kanal nutzenden Binnenschiffe ist 2022 weiter zurückgegangen – sogar überdurchschnittlich. Das geht aus Zahlen des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes (WSA) in Lauenburg und des Statistischen Bundesamt (Destatis) hervor. In der Schleuse in Lauenburg hatten die Frachter im Jahr 2022 genau 418.139 Tonnen Ladung an Bord, im Vorjahr waren es noch 464.609 Tonnen. Am anderen Ende, in der Schleuse Büssau, wurden 256.430 Tonnen gezählt, 2021 waren es 341.172 Tonnen.

Während nach Erfassungen von Destatis die Binnenschifffahrt in Deutschland 6,4 Prozent weniger Güter beförderte als im Vorjahr, ging die Transportmenge in Lauenburg um zehn und in Büssau sogar um 25 Prozent zurück.

Kritik gab es während des IHK-Treffens an den Umweltschutzverbänden: Die würden wissen, dass das Binnenschiff klimaschonend transportieren würde, seien aber trotzdem gegen den Ausbau von Wasserstraßen. „Wir dürfen nicht locker lassen, aufzuzeigen, welche Perspektiven die Schifffahrt bietet“, so Schacht.

Ob bis 2029, wenn der Fehmarnbelttunnel in Betrieb gehen soll, tatsächlich die Wasserwege eine geeignete Alternative für den weiteren Warentransport der zwischen Deutschland und Dänemark auf dem Gleis rollenden Fracht bietet, bezweifelten die Gäste des Treffens allerdings: Dafür müsste jetzt sofort angepackt werden, möglichst im neuen „Deutschlandtempo“, hieß es.

 

Quelle:
THB Täglicher Hafenbericht, Timo Jann


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