Warnweste statt Talar, Brücke statt Büro, Hafen statt Kirche: Zwei Stunden lang ist Pröpstin Petra Kallies im Lübecker Hafen unterwegs gewesen. Sie hat Bärbel Reichelt von der Deutschen Seemannsmission in Lübeck begleitet und ist für einen Moment in die große weite Welt der Seeleute mitten in Lübeck eingetaucht.

(Auf der Brücke der Hafnia Sea: Pröpstin Petra Kallies ist unterwegs mit der Seemannsmission Lübeck)

 

90 Prozent aller Güter werden mit dem Schiff transportiert

Mit der alten Seefahrerromantik hat diese Arbeit nichts mehr zu tun. 90 Prozent aller Güter werden weltweit mit dem Schiff transportiert. Das Tempo nimmt zu: Liegezeiten kosten Geld. Waren müssen gelöscht, neue an Bord genommen werden. So schnell es geht, legen die Schiffe wieder ab. Für die Seeleute bedeutet das jede Menge Druck. Über Wochen und Monate leben sie auf engem Raum, der Kontakt zur Familie beschränkt sich auf das Internet – Platz für Hobbies und Zeit für Privates sind extrem knapp bemessen. Die Arbeit ist anstrengend und macht müde.

(Abfahrt nach dem Übersetzen: Bärbel Reichelt und Pröpstin Petra Kallies fahren von Siems zurück nach Schlutup.)

 

Wenn das Alltägliche das Besondere ist

Ein kurzer Smalltalk, ein entspanntes Telefonat oder ein Einkauf: Was für die meisten Menschen an Land zum Alltag gehört, ist für viele Seeleute etwas Besonderes. Die Seemannsmission hat immer ein offenes Ohr und kommt vorbei: Auch in schwierigen Momenten, etwa wenn jemand im Krankenhaus liegt.

(Pröpstin Petra Kallies und Bärbel Reichelt von der Seemannsmission an Bord der Hafnia Sea.)

 

„Wie geht es Dir?“

Genau da setzen die Leiterin Bärbel Reichelt und das Team der Seemannsmission Lübeck an. Sie passen sich an den Takt des Hafens an. Sobald sie wissen, dass ein Schiff anlegt, machen sie sich auf den Weg. Stimmt der Kapitän zu, darf Bärbel Reichelt an Bord kommen. Mal sind es fünf Minuten, ein anders Mal eine gute Stunde: Zeit, mit den Seeleuten ins Gespräch zu kommen. Gar nicht so einfach, auch weil meist Menschen unterschiedlicher Nationalitäten auf dem Schiff sind. „Wie geht es Dir?“ – diese Frage kann Bärbel Reichelt in den vielen Sprachen stellen. Das wirkt wie ein Eisbrecher. Die eigene Sprache zu hören, ist für die Seeleute einen kurzen Moment wie nach Hause zu kommen, weiß Bärbel Reichelt.

(Auf dem Weg: Im Auto des Seemannsmission führt Theologin Bärbel Reichelt Gespräche.)

 

Ein geschützter Raum, in dem Seelsorge stattfinden kann

Wenn es die Zeit erlaubt, fährt sie die Seeleute aus dem Hafen heraus. Zum Einkaufen kommen sie selten und nutzen diese Möglichkeit. Nicht nur für Schokolade, ein neues Ladekabel oder neue Socken. Während der wenigen Kilometer auf der Straße im Auto der Seemannsmission ist Zeit, um abzuschalten. Ein geschützter Raum, in dem Seelsorge stattfindet.

(Musik und Gemeinschaft: Im Sweder Hoyer Club treffen sich die Seeleute.)

 

Pröpstin Petra Kallies: Das ist Kirche.

„Das ist Kirche“, sagt Pröpstin Petra Kallies, während sie Bärbel Reichelt im Seemannsclub Sweder Hoyer am Lehmannkai zuhört. „Die Seeleute machen einen wirklich harten Job, manche sind bis zu 9 Monaten am Stück auf See. Schließt die Männer ruhig mal wieder in Eure Gebete ein“, schreibt die Pröpstin später in einem facebook-Posting.

(Pröpstin Petra Kallies fotografiert während ihres Besuchs der Seemannsmisson Lübeck.)

 

Mitten im Hafen: Deutsche Seemannsmission Lübeck

Der Seemannsclub und das Büro der Seemannsmission sind mittendrin im Hafen. Die Reederei Lehmann stellt dem Verein einen Teil der Räume kostenlos zur Verfügung. „Das ist mehr als ein feiner Zug“, sagt Pröpstin Petra Kallies. So gibt es Menschen an einem festen Ort im Hafen, der bekannt ist. „Da kenne ich jemanden – das ist etwas anderes als eine anonyme Telefonnummer“, so Petra Kallies.

(Bärbel Reichelt, Leiterin der Seemannsmission Lübeck, erzählt im Sweder Hoyer Club über die Arbeit)

 

Zusammen mit dem Lotsen: Fahrt von Siems nach Schlutup

Bärbel Reichelt ist gut vernetzt im Lübecker Hafen. Mit der Reederei Transfennica hat sie einen Besuch auf der Hafnia Sea abgemacht. Sie setzt von Siems nach Schlutup über. Für diesen kurzen Weg einmal quer über die Trave ist Claus Rönneburg mit an Bord. Er gehört zu den Holtenauer Lotsen aus Kiel, von denen 20 in Lübeck arbeiten. Zusammen mit Kapitän Stefan Albertsson und Dmitrij Dubzowskij sorgt er dafür, dass das 200 Meter lange Schiff sicher ab- und anlegt – auf zehn Zentimeter genau.


(Lotse, Besatzung und Besuch: Kapitän Stefan Albertsson lässt sich von Pröpstin Petra Kallies während der Überfahrt über die Schulter gucken)

 

Kapitän der Hafnia Sea legt Wert auf gutes Miteinander

Die Fahrt selbst dauert nur ein paar Minuten. Für Pröpstin Petra Kallies sind diese Momente besonders. „17 Menschen aus vier Ländern leben und arbeiten hier auf diesem Schiff“, erfährt die Pröpstin vom Kapitän. Stefan Albertsson legt Wert darauf, ein gutes Miteinander zu haben. Als Kapitän hat er das Sagen – das ist klar. Aber in der knappen Freizeit geht er auf Augenhöhe mit seinen Leuten. Das ist nicht auf allen Schiffen so, weiß Theolgin Bärbel Reichelt. „Und dennoch bin ich immer wieder erstaunt, wie gut das Miteinander der unterschiedlichen Nationalitäten an Bord klappt.“

Sea Sunday am 21. Juli in Travemünde

„Das war für mich ein wirklich interessanter Besuch“, sagt Pröpstin Petra Kallies. „Wer mehr wissen will, der besucht den See Sunday während der Travemünder Woche. Damit die Seeleute sehen und spüren, dass wir sie im Blick haben, auch wenn sie weit draußen sind.“

 

Text und Fotos:  © Ines Langhorst

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